Demut, also demütig zu sein oder die Demut als eine Haltung zu bewahren, ist ein essentieller Teil jeder Kunst, insbesondere der Heilkunst.
Vernunft ist die Fähigkeit, objektiv zu denken. Die ihr zugrunde liegende emotionale Haltung ist die Demut. Man kann nur objektiv sein und sich seiner Vernunft bedienen, wenn man demütig geworden ist und seine Kindheitsträume von Allwissenheit und Allmacht überwunden hat.
Auf die Praxis der Kunst des Liebens bezogen bedeutet dies: Da die Fähigkeit zu lieben davon abhängt, dass unser Narzißmus relativ gering ist, verlangt diese Kunst die Entwicklung von Demut, Objektivität und Vernunft.
Wir müssen unser ganzes Leben darauf ausrichten. Demut und Objektivität sind ebenso unteilbar wie die Liebe.
[...]
Ich muss versuchen, den Unterschied zu erkennen zwischen dem narzißtisch entstellten Bild, das ich mir von einem Menschen und seinem Verhalten mache, und dem wirklichen Menschen, wie er unabhängig von meinen Interessen, Bedürfnissen und Ängsten existiert.
― Erich Fromm1
Fromm, der im obigen Zitat die Demut als die Basis der Kunst des Liebens, aber er schreibt weiter vorne in seinem Buch folgendes über die Heilkunst:
Will ich die Kunst der Medizin erlernen, so muß ich zunächst die Fakten über den menschlichen Körper und über die verschiedenen Krankheiten wissen. Wenn ich mir diese theoretischen Kenntnisse erworben habe, bin ich aber in der Kunst der Medizin noch keineswegs kompetent. Ich werde erst nach einer langen Praxis zu einem Meister in dieser Kunst, erst dann, wenn schließlich die Ergebnisse meines theoretischen Wissens und die Ergebnisse meiner praktischen Tätigkeit miteinander verschmelzen und ich zur Intuition gelange, die das Wesen der Meisterschaft in jeder Kunst ausmacht.2
Schließlich endet dieses Buch mit dem Verweis auf den Glauben, daher auch das Bild mit dem demütig betenden Drahtfigürchen. Unsere Wissenschaft und unser Leben ist davon abhängig, dass wir uns für andere hingeben, Demut zeigen. Die Bildersuche für diesen Abschnitt führte somit zum einen zu Einstein mit seinem Zitat zur Demut3 , zum anderen zu etlichen Bildern der stillenden Jungfrau, und der Pforte der Demut4 in Jerusalem.
Nach meiner Einschätzung bedeutet Heilkunst überhaupt nicht, sich wissend über andere zu erheben, sondern mit dem bescheidenen Wissen und hoher Aufmerksamkeit die Leidenden zu unterstützen, also nicht von oben, sondern von unten. Das beste Beispiel ist die Geste des Heilers sich auf den Boden zu begeben um den Heilsuchenden die Füße zu waschen. Gastfreundschaft ist auch als eine Geste der Demut zu verstehen, wir sind nur dann wirklich gastfreundlich, wenn wir uns in jedem Fall als Diener der Fremden verstehen können und nicht als "Herren des Hauses".
- 1Seite 186 f. in Erich Fromm, Liselotte Mickel, und Ernst Mickel, Die Kunst des Liebens, 2020.
- 2Seiten 17f in Erich Fromm, Liselotte Mickel, und Ernst Mickel, Die Kunst des Liebens,(25. Auflage 2020). 1956 erstmalig erschienen unter dem Titel "The Art of Loving"
- 3“What I see in Nature is a grand design that we can understand only imperfectly, one with which a responsible person must look at with humility.”- Albert Einstein gefunden bei „Creative Commons“, Creative Search, Searchterm "humility" zugegriffen 12. September 2021, https://search.creativecommons.org/photos/931b1848-f5de-4dd1-b7d7-74418…
- 4Per hoc ostium non intrant nisi humiles https://search.creativecommons.org/photos/9dd6c274-33b5-4a63-abbe-c52d2… „Creative Commons“, Creative Search, Searchterm "humility" zugegriffen 12. September 2021, https://creativecommons.org.